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Responsible spotlight - Februar 2024

2 months ago
Roundel Responsible Spotlight

Norwegen wagt den Sprung ins tiefe Wasser

Trotz seines Images als eines der nachhaltigsten Länder der Welt hat Norwegen im Januar 2024 als erstes Land eine Lizenz für die Tiefsee-Exploration nach kritischen Metallen und Mineralien in seinen Hoheitsgewässern erteilt. Mit dieser Entscheidung erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass andere Länder trotz des Widerstands zahlreicher Regierungen, Wissenschaftler und Umweltschützer ebenfalls mit dem Tiefseebergbau (TSB) beginnen werden. Diese Gegner sprechen sich dafür aus, die Ausbeutung des Meeresbodens wegen der unbekannten Risiken für die Meeresökologie weiterhin auszusetzen. Die 1982 eingerichtete Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) wird durch das Fehlen umfassender Vereinbarungen über Regeln und Vorschriften (und wirksame Überwachungsmaßnahmen) behindert und stützt sich stattdessen auf unverbindliche freiwillige Standards. 

Gründe für die Entscheidung Norwegens

Die norwegische Regierung und andere Befürworter von TSB rechtfertigen den Schritt mit Umweltgründen. Um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, muss beispielsweise die weltweite Produktion von Kobalt und Lithium bis 2050 um 500 % steigen. Die Nachfrage nach Kobalt, das für die Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien verwendet wird, hat sich seit dem Jahr 2010 verdreifacht, und es wird prognostiziert, dass sich allein für Elektrofahrzeuge die Nachfrage zwischen 2023 und 2027 verdoppeln dürfte. Die Regierung geht davon aus, dass der Meeresboden Norwegens große Mengen an Kobalt, Nickel und Seltenerdmetallen enthält, die in Batterien für Elektrofahrzeuge, in Solarpanels und Windturbinen verwendet werden.  Der Bedarf an diesen Metallen wird auf dem Weg zu einer Netto-Null-Wirtschaft zunehmen, und die Befürworter von TSB sind der Meinung, dass der Landbergbau diesen Bedarf nicht decken kann.

Stärkung von China unabhängiger Lieferketten

Die Sicherheit der Lieferkette war wahrscheinlich für Norwegen ein weiterer Gesichtspunkt bei der Erteilung dieser Lizenz. Die Landlagerstätten für seltene Metalle und Mineralien sind kleiner und konzentrierter als die traditionellen Vorkommen an fossilen Energieträgern, was sie anfällig für Störungen macht. China ist der weltweit wichtigste Lager- und Verarbeitungsort für seltene Erden. Auf das Land entfallen etwa 70 % des Abbaus und rund 85 % der Verarbeitung. Außerdem werden dort mehr als 90 % der Seltenerdmagnete hergestellt, die für eine breite Palette moderner Waffensysteme unerlässlich sind. Neben seiner Dominanz bei der Förderung seltener und kritischer Metalle an Land hat China vor kurzem sein erstes ozeanographisches Bohrschiff in Betrieb genommen, das in 10.000 m Tiefe bohren kann. Was andere Vorkommen betrifft, so befinden sich in der von Konflikten geschüttelten Demokratischen Republik Kongo (DRK) die größten Kobaltreserven der Welt. Laut Amnesty International führt die Ausweitung des multinationalen Bergbaus zu weitreichenden Menschenrechtsverletzungen sowie zu Verstößen gegen das Arbeits- und Umweltrecht . Ein weiterer Grund für Norwegen könnte der geringere CO2-Fußabdruck und der niedrigere Bedarf an physischer Infrastruktur gewesen sein, der mit dem Unterwasserbergbau verbunden ist, im Vergleich zum Bergbau über Tage, wo die Infrastruktur invasiver ist.

Tief bohren

Je nachdem, was abgebaut wird, wird beim TSB zwischen 800 und 6.000 m unter der Oberfläche geschürft. Der Prozess beginnt mit kleinen, steinartigen Strukturen, den so genannten polymetallischen Knollen, die den Meeresboden übersäen. Sie haben sich im Laufe von Millionen von Jahren gebildet und enthalten Kupfer, Kobalt, Mangan und Nickel. Die größte Konzentration dieser Knollen befindet sich in einem Gebiet von 4,5 Mio. km² im östlichen Pazifik. An anderen Orten enthalten die Krusten und Erze aus Tiefseelagerstätten Platin, Kupfer, Gold und Silber. Wissenschaftler, die ein Moratorium für TSB fordern, machen geltend, dass der mit dem Unterwasserbergbau verbundene Gewinnungsprozess das Meeresökosystem gefährdet, das in weiten Teilen noch nicht gut erforscht ist. Die polymetallischen Knollen, die auf dem Meeresboden ruhen, werden abgeschöpft und an die Oberfläche gepumpt. Das dabei anfallende Abwasser, einschließlich der Reststoffe (Tailings), würde in den Ozean zurückgepumpt werden. Es wird vermutet, dass dadurch Trümmerwolken entstehen könnten, die sich bis zu tausend Kilometer weit ausbreiten, Filterorganismen beeinträchtigen und dafür sorgen könnten, dass toxische Mengen an Schwermetallen und radioaktiven Partikeln in die Nahrungsketten der Meere gelangen. Eine Schwächung der biologischen Vielfalt in der Tiefsee könnte die Fähigkeit der Ozeane beeinträchtigen, den globalen Temperaturanstieg abzumildern. Unsere Ozeane sind die größte Kohlenstoffsenke der Welt und absorbieren etwa 25 % der Kohlendioxidemissionen.

Roundel 1

Unser Standpunkt

Die ISA arbeitet an Verordnungen für TSB, die bis 2025 fertig sein sollen. Sie werden durchsetzbar sein, und es gibt auch umfassende Forderungen nach einem mehrjährigen Moratorium, während die Bedrohung des Meeresökosystems bewertet wird. Die Entscheidung Norwegens, den Tiefseebergbau in seinen eigenen Gewässern zu genehmigen, lässt jedoch wahrscheinlich den Tag näher rücken, an dem diese Art von Abbau auch in internationalen Gewässern erfolgen wird. Eine Reihe von Ländern, darunter Russland, China, Indien und Südkorea, sowie einige Bergbauunternehmen drängen bereits darauf. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass der Vorstoß in Richtung Netto-Null den wenig erforschten Lebensraum der Tiefsee bedroht. Aber sollte er erfolgreich sein, könnten sich beträchtliche Vorteile in Bezug auf die Erleichterung des Weges hin zu Netto-Null ergeben.

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